Briefe über Galen

 



Es folgen Briefe zum Buch

 

Buch JosefJosef, du hast mehr geleistet als ich. Josef Jakob

– ein katholischer Arbeitersekretär im Widerstand gegen Hitler

Hg. von Ansgar Münsterjohann und Ursula Münsterjohann,
Gerhard Schepper Verlag, Münster 2018


 

Brief von Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen …

… an Verleger Gerhard Schepper, Münster, vom 3. März 2021

Sehr geehrter Herr Schepper,

genau diesen Text und die von Ihnen zitierte Stelle war ja auch gemeint: Galen weist den Behörden da, wo es offenkundig ist, unwahre Unterstellungen und letztlich schlampige Recherche vor – und treibt sie damit in die Defensive. Schließlich kam ja auch Josef Jakob bald frei.

Daraus eine „Distanzierung“ von Josef Jakob abzuleiten, ist nur bei einer unerschütterlichen „Hermeneutik des antikatholischen Ressentiments“ oder einer „Prämisse der Verdächtigung“, wie sie manche Autoren forcieren, nachzuvollziehen.

Was soll an dem letzten Galen-Satz im Frick-Brief Distanzierung sein? „Dass die Reichsregierung bisher den von ihr vertraglich zugesicherten Schutz der katholischen Organisationen und Verbände gegen die Angriffe der Leitung der Arbeitsfront und der Hitlerjugend nicht gewährt, bedauere ich umso mehr, als dadurch nicht nur unzählige treudeutsche Volksgenossen in ihrem Recht verletzt, sondern auch die deutsche Ehre vor der Mit- und Nachwelt beschädigt wird.“

Ich stimme Ihnen zu, dass sich Leserinnen und Leser ihr eigenes Urteil bilden. Das zu unterstützen, ist mir ja wichtig.

Frohe Grüße,


   Markus Trautmann

Brief von Verleger Gerhard Schepper, Münster …

… an Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen, vom 3. März 2021

Sehr geehrter Herr Trautmann,

gestern hatte ich Gelegenheit, den Brief von Galens an Reichsinnenminister Frick nochmals zu lesen. Er belegt, dass die von mir und Ansgar Münsterjohann gemachte Aussage, v. Galen habe sich von den Widerstands-Aktivitäten seiner Mitarbeiter Konermann und Jakob distanziert, richtig ist und keinesfalls "das Gegenteil", wie Sie schreiben. U. a. schrieb v. Galen am 11. Juni 1936 an Frick:

"Die Annahme des Herrn Ministers, daß Herr Dr. Konermann bei Abfassung der beiden Briefe im engsten Einvernehmen mit mir gehandelt habe, findet in den veröffentlichten Bruchstücken aus diesen Briefen keine Stütze und kann auch aus dem übrigen mir unbekannten beschlagnahmten Material nicht bewiesen werden... Auch in dem übrigen, bisher geheim gehaltenen, beschlagnahmten Material kann ein Beweis dafür nicht enthalten sein, denn ein solches Einvernehmen hat tatsächlich nicht (maschinenschriftlich unterstrichen) bestanden. Ich habe von dem Gedanken, "Massenaustritte aus der Deutschen Arbeiterfront zu organisieren, Verhandlungen mit der Regierung abzulehnen und zum Angriff überzugehen", erst durch die Veröffentlichung in der Zeitung erfahren, und protestiere gegen die der Wahrheit nicht entsprechende Behauptung des Herrn Ministers, daß ich diese Bestrebungen des Dr. Konermann gefördert hätte!"

Diese Aussagen sind eindeutig und die Leserinnen und Leser können sich ein eigenes Urteil bilden.

Mit freundlichen Grüßen

     Gerhard Schepper

Brief von Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen …

… an Verleger Gerhard Schepper, Münster, vom 24. Februar 2021

Sehr geehrter Herr Schepper,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung und die Zustimmung zu einer Veröffentlichung der Korrespondenz!

Ihre Überlegungen zum „bischöflichen Duzen“ haben tatsächlich grundsätzlich etwas für sich, passen dennoch nicht zu Galen.

Dass sich Galen von Josef Jakob distanziert habe, behauptet zwar Ansgar Münsterjohann auf den von Ihnen genannten Seiten. Tatsächlich belegt das einschlägige Dokument Nr. 177 in der Löffler-Edition (Galen an Frick, 11. Juli 1936) das Gegenteil: Galen distanziert sich lediglich von einigen kursierenden falschen Unterstellungen. Und er verwahrt sich unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft gegen den Vorwurf des „Hochverrats“ durch Konermann und Jakob bzw. dass er, Galen, „Hochverrat“ unterstützt habe. Darüber hinaus protestiert Galen auch hier wieder einmal klar und deutlich:

„Dass die Reichsregierung bisher den von ihr vertraglich zugesicherten Schutz der katholischen Organisationen und Verbände gegen die Angriffe der Leitung der Arbeitsfront und der Hitlerjugend nicht gewährt, bedauere ich um so mehr, als dadurch nicht nur unzählige treudeutsche Volksgenossen in ihrem Recht verletzt, sondern auch die deutsche Ehre vor der Mit- und Nachwelt beschädigt wird.“

In diesem Sinn die besten Wünsche aus Dülmen,


   Markus Trautmann

Brief von Verleger Gerhard Schepper, Münster …

… an Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen, vom 24. Februar 2021

Sehr geehrter Herr Trautmann,

Sie dürfen meinen Brief gerne auf der angesprochenen Website veröffentlichen.

Zwei Anmerkungen zu Ihrem gestrigen Schreiben: Es war und ist in aristokratischen Kreisen durchaus üblich, Mitarbeiter resp. Untergebene zu duzen. Da Sie dies in Zweifel ziehen, würde mich schon interessieren, wie Ihrer Ansicht nach v. Galen den Arbeitersekretär Josef Jakob angesprochen hat: Mit "Sie, Herr Jakob"? Mit "Ihr, Josef Jakob"? Sicherlich nicht im Pluralis Majestatis. Grade, da Sie ja selbst schreiben, dass v. Galen auf die aristokratische Aura und seine bischöfliche Autorität Wert legte, ist doch die Aussage Josef Jakobs, er sei geduzt worden, sehr glaubhaft.

Dann will ich noch eingehen auf den von Ihnen offenbar besonders wichtigen unterstrichenen Satz, v. Galen habe sich an Reichsinnenminister Frick gewandt und diese Tatsache hätten wir doch erwähnen können. Das haben wir. Auf Seite 113 und 114 des Buches ist diese Tatsache ausführlich beschrieben. Es ist aber auch erwähnt, dass sich v. Galen im Verlaufe der Auseinandersetzungen mit Frick von den Widerstands-Aktivitäten seiner Mitarbeiter Konermann und Jakob distanziert hat. Dies zu erwähnen gehört auch dazu, wenn man über die damaligen Personen und Vorgänge wahrheitsgemäß schreiben will. Wie Sie ja richtig feststellen: Geschichtsschreibung ist kein Wunschkonzert.

Mit freundlichen Grüßen

     Gerhard Schepper

Brief von Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen …

… an Verleger Gerhard Schepper, Münster, vom 23. Februar 2021

Sehr geehrter Herr Schepper,

herzlich danke ich für Ihre Zeilen, mit denen Sie auf meine kritische Rezension (in einem veröffentlichten Brief an Hermann Hölscheidt) des von Ihnen verlegten Buches „Josef, du hast mehr geleistet als ich“ eingehen.

In der großen Linie Ihre Argumentation fühle ich mich natürlich voll und ganz bestätigt, möchte meine Meinung aber anhand einiger konkreter Rückmeldungen präzisieren:

1. Sie schreiben, dass meine Annahme, Galen habe wohl kaum Josef Jakob geduzt, „ein merkwürdiges Licht auf die praktisch gelebte brüderlich-christliche Nächstenliebe v. Galens werfen würde“. Abgesehen davon, dass ich keinen Zusammenhang zwischen brüderlich-christlicher Nächstenliebe und dem „duzen“ erkenne, kann ich es nun einmal nicht ändern: Galen hatte bei aller Herzlichkeit und Zugewandtheit eine durchaus aristokratische Aura und war sich auch seiner bischöflichen Autorität (übrigens sogar gegen den Nazis) sehr bewusst. Dieses Denken war aber allgemein in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts noch sehr verbreitet. Natürlich kann man sich das heute alles anders wünschen oder gar nachträglich dazuerfinden: Aber in diesem Falle kann man ja kaum in der Art eines Dramatikers das „Stück“ einfach umschreiben; Geschichtsschreibung ist kein Wunschkonzert.

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Brief von Verleger Gerhard Schepper, Münster …

… an Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen, vom 22. Februar 2021

Sehr geehrter Herr Trautmann,

wie ich sehe, haben Sie die persönliche E-Mail an Herrn Hölscheidt auf der Internetseite www.wie-ein-loewe.de veröffentlicht. Da will ich als Verleger des Buches auch öffentlich Stellung nehmen zu Ihren Anmerkungen resp. Ihrer Rezension.

Sie ziehen in Zweifel, dass v. Galen nach 45/46 in Bocholt war, wie sein Sohn (nicht seine Tochter, wie Sie schreiben) im Interview behauptet. Möglicherweise haben Sie in diesem Punkt Recht und die Erinnerungen seines Sohnes sind diesbezüglich lückenhaft. Möglicherweise fiel der zitierte Satz „Josef, du hast mehr geleistet als ich“ nicht in Bocholt, sondern bei einer Begegnung Josef Jakobs mit Kardinal von Galen nach dem Krieg in Münster. Diesen Punkt Ihrer Kritik, den einzig sachlichen, kann ich akzeptieren und werde ihn bei einer Neuauflage des Buches berücksichtigen.

Alle weiteren von Ihnen aufgeführten kritischen Anmerkungen sind Meinungen, Annahmen und Unterstellungen. Ich kann Ihnen in diesen Punkten nicht folgen.

Da ist zunächst Ihre Annahme, v. Galen hätte in aristokratisch-bischöflicher Distanz niemals einen KAB-Sekretär geduzt. Abgesehen davon, dass diese Ihre Annahme ein merkwürdiges Licht auf die praktisch gelebte brüderlich-christliche Nächstenliebe v. Galens werfen würde, steht sie im Gegensatz zu Josef Jakobs Aussagen. Nach dem, was er seinen Kindern mehrfach mitteilte, hatte v. Galen ihm bei einer Begegnung nach dem Krieg folgendes gesagt: „Josef, du hast mehr geleistet als ich. Du hast die Gefahr früher erkannt und hast mehr Mut bewiesen. Du hattest Familie und wusstest, dass deine Frau und deine Kinder mitleiden würden. Ich war Junggeselle und hatte den Schutz meines Amtes.“ Genau diese Worte hätte Josef Jakob mehrfach benutzt, so seine Kinder, und er sei auf diese anerkennenden Worte stolz gewesen. Es steht also das Wort Josef Jakobs, eines glaubwürdigen Christen, wie Sie selbst schreiben, gegen Ihre Vermutung, dass diese Worte nie ausgesprochen wurden. Sie haben sicherlich Verständnis, dass ich in diesem Punkt Ihrer Spekulation nicht folgen kann.

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Brief von Dr. Michael-Stiels-Glenn, Sprecher der Friedensfreunde Dülmen, ...

... an Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen, vom 18. Februar 2021 

Lieber Herr Trautmann,


ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen und mache "aus der Hüfte heraus" einige kurze Bemerkungen:

"Idealisierung ist auch eine Form der Abwehr", sagte ein Lehrtherapeut in meiner Psychotherapieausbildung. Das passiert selbst mir: Viele Leute sagen: Ja, Du machst da was Tolles! Wenn ich dann sage: Nachmachen, mitmachen, auch was AKTIV tun (ist fast egal, was), dann heißt es: Ja, DU mit DEINEN Fähigkeiten und DEINEM Engagement. Indem sie mich überhöhen, müssen sie sich nicht mit ihrer Lauheit, ihrer Bequemlichkeit auseinandersetzen. So sehe ich die "Überhöhung von Kardinal von Galen" - das diente der Rationalisierung des eigenen Nichts-Tuns.

"Wenn das Fußballspiel beendet ist, weiß jeder, wie man es hätte gewinnen können!" Hinterher ist man IMMER klüger, u. a. weil man ja weiß, wie die Sache ausgegangen ist. In der Situation selbst wissen wir das NIE! Wir hoffen zwar, wir "kalkulieren" (hat viel mit berechnen zu tun), aber wir sind immer gezwungen zu handeln, ohne das Ergebnis unseres Tuns vorher zu kennen - eine menschliche "Conditio sine qua non"! Das betraf auch Kardinal von Galen in aller Zwiespältigkeit, in dem inneren Druck, Position zu beziehen. Aus diesem Grund halte ich sehr wenig von Beurteilungen historischer Situationen im Nachhinein. Solange ich nicht in der Haut des Kardinals gesteckt habe, kann ich die Situation und sein Handeln DAMALS nur sehr unzureichend beurteilen.

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Brief von Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen …

… an Dr. Michael-Stiels-Glenn, Sprecher der Friedensfreunde Dülmen, vom 18. Februar 2021 

Lieber Herr Stiels-Glenn,


als Nachschlag zu unserer letzten Unterredung (bzw. Einstimmung auf weitere Unterredungen) möchte ich Sie auf einen Text hinweisen, den ich vor einigen Tagen als einen realen Brief verfasst habe, der aber auch online steht. Ich weiß gar nicht, ob Sie wissen, dass ich redaktionell die Website www.wie-ein-loewe.de bzw. www.galen-archiv.de betreue. Dort finden Sie das Schreiben auf der Startseite.

Mein Brieftext kritisiert ein Buch (das man in diesem Zusammenhang nicht gelesen haben muss) dahingehend, dass sich heutige Empörung über das "Versagen" der Kirche im "Dritten Reich" ausgerechnet an Clemens August von Galen abarbeitet. Als profunder Galen-Kenner weiß auch ich, dass man den Bischof von Münster in der NS-Zeit nicht heroisieren muss; andrerseits ragt er tatsächlich himmelhoch über das vergleichbare Engagement anderer zeitgenössischer Personen des öffentlichen Lebens hinaus. Ich musste an eine Bemerkung von Ihnen über Herrn Ortwin denken, der offenkundig eben auch (an Galen) reflexartig das Defizitäre benennt, nicht das Lobenswerte. Aber der Brief enthält auch eine kritische Spitze gegen Ihre "Kreise", in denen man sich ja als "antifaschistisch" und "links" nahezu etikettiert. Auch eine solche Selbsteinschätzung dispensiert nicht von Ausgewogenheit und Fairness; das sehen und das leben Sie ja glücklicherweise auch so.

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Brief von Pfarrer Markus Trautmann, Dülmen …

… an KAB-Diözesansekretär Hermann Hölscheidt, Münster, vom 16. Februar 2021 

Lieber Herr Hölscheidt,

in den Karnevalstagen habe ich das Taschenbuch „Josef, du hast mehr geleistet als ich“ gelesen. Vielen Dank, dass Sie mir es zugeschickt haben! Da ich ab 1996 für mehr als zwei Jahre als Praktikant im Gemeindejahr und Diakon in der Pfarrei Heilig Kreuz in Bocholt verbringen durfte, war mir sein Name vage in Erinnerung. Persönlich durfte ich aber Pfarrer Hans-Rudolf Gehrmann und Josef Niebur kennenlernen, die ja jeweils mit einem Beitrag vertreten sind.

Die Beiträge von Gehrmann und Niebur heben sich durch ihre wohltuende Sachlichkeit von den anderen Beiträgen ab – auf die ich gern einmal ausführlicher eingehen möchte. Denn mir ist es wichtig, sowohl Clemens August von Galen wie auch Josef Jakob etwas Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Denn diese fehlt über weite Strecken in dem Buch; daran scheitert der Anspruch seiner Familie.

Zunächst: Was immer in der Familie von Josef Jakob über eine Begegnung mit Clemens August von Galen nach dem Krieg berichtet wurde: Jedenfalls war der Bischof 1945/46 nicht mehr in Bocholt, wie seine Tochter im Interview behauptet (vgl. S. 29). Das ist zuverlässig dokumentiert (etwa in der Quellenedition von Löffler, 1996). Fast genauso sicher kann angenommen werden, dass Galen – durchaus in aristokratisch-bischöflicher Distanz – niemals einen KAB-Sekretär geduzt und ihm derart jovial eine solche Bemerkung (wie sie ja den Titel des Buches abgibt) anvertraut hätte. Richtig ist, dass Galen nach seiner Rückkehr aus Rom 1946 auf dem Domplatz in Münster sinngemäß gesagt hat: „Andere hatten viel mehr zu leiden als ich!“ Das ist ja auch unbestritten. Vielleicht war Josef Jakob dort damals zugegen oder wurde diese Galen-Äußerung ungenau kolportiert oder später von anderen auf Josef Jakob bezogen (vgl. S. 20, S. 29).

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